Frauen und Impfung in der EU – 2017
Förderung einer lebenslangen Impfstrategie in der EU
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Impfung — Eine vergessene Schutzmaßnahme im öffentlichen Gesundheitswesen?
Infektionskrankheiten stellen nach wie vor eine ernste Bedrohung bei der öffentlichen Gesundheit dar, insbesondere in Entwicklungsländern. Pocken wurden weltweit ausgerottet und Kinderlähmung weitgehend eliminiert. Jedoch gibt es mehrere Infektionskrankheiten, die die Gesellschaft weiterhin quälen, wie Malaria, Ebola, Zika, HIV/AIDS und Tuberkulose. Die Entwicklung wirksamer Impfstoffe für diese und weitere Krankheiten würden sowohl der Gesellschaft als auch dem Individuum großen Nutzen bringen. Trotz vergangener Erfolge wird das Impfen, wenn es heute betrachtet wird, primär im Kontext von Impfungen bei Kindern—zur Vorbeugung von Krankheiten wie Diphterie, Masern, Keuchhusten, Röteln, Mumps und Poliomyelitis (Polio)—oder bei einer Krankheitshysterie diskutiert.
Vielen Europäern sind die Bedrohungen von Infektionskrankheiten und die Bedeutung der Impfung als eine wirksame Maßnahme der Gesellschaft für die öffentliche Gesundheit offenbar nicht bewusst. Impfstoffe schützen die Gesellschaft allgemein sowie auch anfällige Einzelpersonen, die spezifisch aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können. Impfen schützt zudem Impfgegner, die sich aus Überzeugung nicht impfen lassen. Zusätzlich zum Schutz von Einzelpersonen verhindert das Impfen auch die Ausbreitung von Infektionskrankheiten auf anfällige Gruppen wie Personen mit chronischen Krankheiten (wie Asthma und Diabetes), schwangere Frauen und ältere Menschen. Bezüglich der Impfung müssen Interessengruppen im öffentlichen Gesundheitswesen, Gesundheitsexperten und Entscheidungsträger Gesellschafts- und Menschenrechte abwägen, d.h. das Recht des Einzelnen gegenüber den Bedürfnissen der Gesellschaft. Ein Gleichgewicht muss gefunden werden zwischen sozialen, kulturellen und religiösen Normen, Glaubensrichtungen, Rechten sowie Notwendigkeiten, um künftige Krisen zu verhindern.
Impfstoffe: Die Grundlagen
Derzeit werden etwa zwanzig Impfstoffe weltweit für Krankheiten wie Diphterie, Haemophilus Influenza Typ b (Hib), Hepatitis B, humaner Papillomvirus (HPV), Grippe, Masern und Röteln, Mumps, Keuchhusten, Poliomyelitis (Polio), Rotavirus, Tetanus, Tuberkulose, Meningokokken-Erkrankung (Meningitis und Septikämie) sowie invasive Pneumokokkenerkrankung (Lungenentzündung und Meningitis) eingesetzt. In der nahen Zukunft werden etwa zwanzig neue oder verbesserte Impfstoffe erwartet.1 Nach der Weltgesundheitsorganisation werden durch Impfungen mehr als drei Millionen Leben pro Jahr gerettet. Weitere drei Millionen Todesfälle bei Kindern und Erwachsenen könnten durch Impfungen verhindert werden.2
Wie Impfstoffe und Impfprogramme funktionieren
Impfstoffe führen dazu, dass das Immunsystem Antikörper (ein Blutprotein, dass Infektionen bekämpft) gegen einen bestimmten Erreger (Virus oder Bakterien, die Krankheiten verursachen) entwickelt, so dass die Person mit dieser Krankheit nicht infiziert wird; dieser Prozess wird „aktive Immunität” genannt. Wenn eine Person dann nach der Impfung mit dieser Krankheit in Berührung kommt, dann reagiert der Körper schnell, indem er Antikörper zur Bekämpfung der Krankheit erzeugt.3 Impfstoffe werden entwickelt, indem der Erreger so verändert wird, dass er eine Immunreaktion auslöst, ohne die Person mit der Krankheit selbst zu infizieren. Die Antigene innerhalb eines wirksamen Impfstoffs können erzeugt werden, indem der lebende, aber inaktivierte Erreger, ein Teil es Erregers oder ein durch den Erreger produziertes Gift verwendet wird. Impfstoffe wirken für einen bestimmten Zeitraum oder für das ganze Leben, abhängig vom Impfstoff.4
Impfprogramme zielen darauf ab, die gefährdete Bevölkerung gegen eine spezifische Krankheit zu schützen, indem einer großen Gruppe Impfstoffe verabreicht werden. Wenn ein ausreichender Prozentsatz der Bevölkerung geimpft wird, dann kann sich die Krankheit auch bei den Personen, die nicht geimpft wurden, nur schwer ausbreiten. Diejenigen, die nicht geimpft werden oder eine Impfung ablehnen, werden aufgrund dieses Phänomens geschützt, das „Herdenimmunität” oder „Gemeinschaftsimmunität.” genannt wird.5 Im Fall von Masern ist beispielsweise jeder geschützt – auch die anfälligen und gebrechlichen Personen sowie diejenigen, die aus verschiedenen Gründen nicht geimpft werden können – wenn 95% der Bevölkerung gegen diese Infektion geimpft sind. Die Gesellschaft muss sich zu Impfprogrammen verpflichten, um Infektionskrankheiten effektiv, effizient und gerecht zu bekämpfen.
Number of measles cases by country, Nov 2012-Oct 2013 and two doses measles vaccine coverage 6
Infektionskrankheiten: Eine Bedrohung in Europa?
Infektionskrankheiten und ihre Erreger überschreiten leicht Grenzen. Trotzdem sind viele Europäer „impfscheu” geworden und sehen diese Krankheiten nicht mehr länger als Problem an. Die Impfung scheint Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden zu sein. Wenige erinnern sich an die schweren körperlichen Schäden, Behinderungen und Todesfälle, die von Polio verursacht wurden, bevor der Salk-Impfstoff verfügbar wurde.
Da viele größere Ausbrüche von Infektionskrankheiten in den vergangenen Jahren sicher unter Kontrolle gebracht wurden, wurden chronische Krankheiten zum Hauptfokus bei der europäischen Politik der Vorbeugung und Gesundheitsförderung. Dies ist zwar eine lobenswerte Priorität, jedoch beruht die Vorbeugung und das Management von Krankheiten häufig auf dem persönlichen Engagement von Personen, Veränderungen an ihrem Lebensstil vorzunehmen, z.B. mit dem Rauchen aufzuhören, sich gesund zu ernähren und sich entsprechend zu bewegen. Wann immer dies möglich ist, sollten Impfstoffe auch als eine wirksame Vorbeugungsmaßnahme im Lauf des Lebens aufgenommen werden. Beispielsweise führen die bakterielle Meningitis und eine Blutvergiftung bei Kindern und Erwachsenen zum Tod; Überlebende werden oft zu lebenslangen Patienten, die unter verschiedenen lebensverändernden und kostspieligen Krankheiten leiden wie Amputationen und Nierenversagen.
Es ist alarmierend, dass die DurchImpfraten und das Vertrauen in Impfungen in allen EU-Mitgliedstaaten sinken, so dass diese ihre Impfziele nicht erreichen, was zu vermeidbaren und kostspieligen Ausbrüchen übertragbarer Krankheiten in vielen Ländern führt. Insbesondere kam es in Europa kürzlich zu Ausbrüchen von Masern, was die Öffentlichkeit im Hinblick auf die Gesundheit zu Taten mobilisieren sollte. Europa hat das Ziel, einen 95%igen Schutz gegen Masern zu erreichen, im Jahr 2014 wurde das Ziel der WHO für die Eliminierung von Masern jedoch nicht erfüllt.
Die Notwendigkeit, für das Impfen einzutreten
Heute sind Interessengruppen für Patienten in vielen Krankheitsbereichen aktiv, u.a. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, seltene Krankheiten, Alzheimer, Parkinson, Multiple Sklerose und Diabetes. Diese Gruppen setzen sich für eine optimale Behandlung der jeweiligen Patienten ein. Jedoch mangelt es an einer Unterstützung des Impfens. Stattdessen sind wissenschaftlich widerlegte Horrorgeschichten, z.B. dass die Masernimpfung mit Autismus bei Kindern in Verbindung gebracht wird, noch in Umlauf. Diese Geschichten halten sich hartnäckig und werden durch soziale Medien verbreitet. Junge Mütter bringen ihre Kinder sogar zu Spielgruppen, damit sie sich Masern „natürlich” einfangen, anstatt den empfohlenen Impfplan zu befolgen, der von den nationalen Gesundheitsbehörden unterstützt wird. Solche Pläne sind auf der Website des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten zu finden.7
Dieser Mangel an Gesundheitskompetenz und die Dauerhaftigkeit von Horrorgeschichten, die die Gefahren von Impfstoffen falsch darstellen und übertreiben, haben bei der Öffentlichkeit zu Vernachlässigung, Misstrauen und Ängsten im Hinblick auf das Impfen geführt. Folglich befindet sich das Impfen als primäre Präventionsmaßnahme nicht sehr weit oben auf der Agenda der Gesellschaft. Der aktuelle Anstieg bei Masern in einigen europäischen Ländern ist eine Warnung an politische Entscheidungsträger und die Gesellschaft. Wenn das positive Eintreten für das Impfen nicht mit dem politischen Willen kombiniert wird, eine robuste, konsistente, kohärente und evidenzbasierte Kommunikation und Dialogführung bei den Gesundheitsbehörden zu fördern, dann wird das Vertrauen in Impfungen nicht wiederhergestellt und die Gesellschaft wird in einem Notfall und bei einer Epidemie nicht auf eine impf- und gesundheitskompetente Öffentlichkeit zählen können.
Die europäische Dimension
Die Europäische Union (EU) garantiert die freie Bewegung von Waren, Kapital, Dienstleistungen und Menschen. Als Ergebnis gibt es eine steigende Anzahl von Europäern, die in anderen Mitgliedstaaten leben, arbeiten und dort ihren Ruhestand verbringen, und sie bringen ihre Erreger mit. Die europäischen Verträge gewährleisten Bürgern ein hohes Niveau an Gesundheitsschutz. Die Europäische Kommission unterstützt Mitgliedstaaten bei der Beibehaltung und Erhöhung der Impfraten.
Die nationalen Gesundheitsbehördern und die europäischen Institutionen haben eine gemeinsame Verantwortung bei der Vorbeugung zur Übertragung neuer Erreger und dem Wiederaufleben anderer Erreger sowie der Organisation einer schnellen und koordinierten Reaktion auf Bedrohungen durch Infektionskrankheiten. Jedoch gibt es bisher keine umfassende Strategie, die die Rolle der Impfung mit einem lebenslangen Ansatz betrifft. Die Impfungsrichtlinien und -pläne variieren erheblich in den achtundzwanzig Mitgliedstaaten, was zu einer weiteren Verwirrung und Unsicherheit in einer Zeit führt, in der die Impfquoten bei der Bevölkerung abnehmen.8
Schlussfolgerungen des Rates zu Schutzimpfungen bei Kindern
Die Schlussfolgerungen des Rates zu Schutzimpfungen bei Kindern wurden im Juni 2011 angenommen. Der Rat bestätigt, dass das Impfen von Kindern in den Bereich der einzelnen Mitgliedstaaten fällt, er erkennt jedoch den Nutzen dessen an, dass das Impfen von Kindern in der EU koordiniert angegangen wird. Der Rat lädt die Europäische Kommission, die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) und das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein, die Impfquoten zu verbessern und zu überwachen. Außerdem ermutigen die Schlussfolgerungen des Rats zur Überwachung der öffentlichen Unterstützung und der Erstellung effektiver Kommunikationsbotschaften, einschließlich der Ansprache der Skeptiker9
Schlussfolgerungen des Rates zu Impfungen als effektive Maßnahme für die öffentliche Gesundheit
Die Schlussfolgerungen des Rates zu Impfungen als effektive Maßnahme für die öffentliche Gesundheit wurden im Dezember 2014 unter der italienischen Präsidentschaft des Rats der Europäischen Union angenommen. Die Schlussfolgerungen besagen, dass Impfprogramme ein wichtiger Aspekt des Gesundheitssystems sind. Die Schlussfolgerungen weisen auf die kürzlichen Ausbrüche von Krankheiten in Europa hin, denen durch Impfungen hätten vorgebeugt werden können – Ausbrüche von Krankheiten, die durch effektive Impfprogramme in der Vergangenheit nahezu eliminiert waren. Die Schlussfolgerungen fordern die Kommission und die Mitgliedstaaten zur verstärkten Forschung bei Impfstoffen auf, einschließlich der Wirksamkeit neuer Impfstoffe und Schutzimpfungsprogramme, insbesondere zu Studien zu Impfstoffprogrammen und der Wirksamkeit neuer Impfstoffe. Angesichts der immer stärker alternden Bevölkerung in Europa wird in den Schlussfolgerungen auch die Bedeutung des Impfens über die gesamte Lebensdauer, nicht nur der Schutzimpfungen von Kindern, erörtert.10
Die Schlussfolgerungen fordern die Europäische Kommission, das ECDC und die EMA auf, Unterstützung und Führung bei der Stärkung der nationalen Impfprogramme zu bieten, einschließlich der Bereitstellung von Forschungsmethoden als Hilfe bei der Verbesserung der Aufnahmestrategien bei den Mitgliedstaaten. Die Schlussfolgerungen würdigen die Kommunikationsmaßnahmen des ECDC zum Impfen und fordern zu weiteren Bemühungen bezüglich der Gesundheitskompetenz im Hinblick auf das Impfen auf, um die europäischen Bürger zu befähigen, informiertere Entscheidungen zu treffen11
Impfen von anfälligen Bevölkerungsgruppen—der Fall des Masernausbruchs
In den vergangenen Jahren kam es zu Ausbrüchen von Masern in verschiedenen Regionen der EU. Von 2007 bis 2010 kam es zu Ausbrüchen von Masern in Österreich, Bulgarien, Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich und der Schweiz. In Bulgarien waren Masern für 24 Todesfälle bei 24.000 Fällen in den Jahren 2009 und 2010 verantwortlich. Nach einer Studie in Westeuropa lagen die Kosten für die Behandlung von Masern bei durchschnittlich €209-480 pro Person, wogegen die Impfkosten €0,17-0,97 pro Person betragen. 2009 befanden sich 95% der gemeldeten Masernfälle in der Europäischen Region in der EU, wobei 65% in Westeuropa auftraten.12
Ansatz für das Impfen im ganzen Lebensverlauf
Infektionskrankheiten sind nicht nur eine Gefahr für Kinder, sondern stellen auch ein ernstes Gesundheitsrisiko bei älteren Personen dar. Einer der großen Herausforderungen in der öffentlichen Gesundheit ist das Erreichen „gesunder“ Personen, die vom Impfen profitieren würden, die jedoch nicht regelmäßig mit dem Gesundheitssystem interagieren. Es gibt einen Mangel bei der Aufklärung bezüglich des Nutzens von Schutzimpfungen im Lebensverlauf und es sind nach wie vor Lücken bei der Politik, Kommunikation sowie bei Unterstützungsprogrammen vorhanden. Da Europa altert, ist ein Lebensverlaufsansatz – von der Kindheit und Jugend über die mittleren Jahre bis hin zum Alter – notwendig, um effektive Schutzimpfprogramme zu erhalten, von denen alle erreicht werden.13
Warum gibt es so wenige Befürworter des Impfens?
Organisationen von Patienten mit chronischen Krankheiten konzentrierten sich lobenswerterweise auf die Interaktion zwischen chronischen Krankheiten und Infektionskrankheiten. Patienten müssen verstehen, dass bakterielle und virale Infektionen eine bereits bestehende chronische Erkrankung verschlimmern können. Der Schutz von älteren oder anfälligen Personen mit chronischen Krankheiten gegen zusätzliche Infektionen kann unnötigen Krankenhausaufenthalten vorbeugen. Beispielsweise besteht bei Patienten mit Asthma und Atemwegserkrankungen ein höheres Risiko für Lungenentzündungen und Pneumokokkenerkrankungen. Diabetespatienten sollten regelmäßig von Ihren Gesundheitsfachkräften daran erinnert werden, sich an den Impfplan zu halten. Viele Gruppen, die sich für Schutzimpfungen einsetzen, sind auf eine spezifische Infektion ausgerichtet; um jedoch eine Änderung herbeizuführen, sollten sie mit vereinten Kräften Aufklärung betreiben.
Die Rolle von Gesundheitsfachkräften
Die Aufklärung und Unterstützung des Impfens im Lebensverlauf beginnt bei Hausärzten, die typischerweise am engsten mit Patienten, deren Familien und der Gemeinschaft in Kontakt sind. Es besteht eine dringende Notwendigkeit, die Rolle des Hausarztes bei der Unterstützung, Förderung und Umsetzung einer umfassenden Richtlinie zum Impfen im Lebensverlauf zu stärken. Gesundheitsfachkräfte, Medizinstudenten / Auszubildende im Pflegebereich, Hausärzte, Kinderärzte und Geriater würden alle von Schulungsprogrammen zur Patientenberatung profitieren. Pharmazeuten sollten ebenfalls mobilisiert werden, um die allgemeine Öffentlichkeit, „die Gesunden” und die Patienten zu erreichen. Arzthelferinnen und Hebammen können ebenfalls weitere Bevölkerungsgruppen erreichen. Zudem müssen Gesundheitsfachkräfte und Krankenhausmitarbeiter achtsam sein und dazu ermutigt werden, mit ihren eigenen Impfungen auf dem Laufenden zu bleiben.
Biologische (geschlechtsbezogene) Unterschiede beim Impfen
Es bestehen Unterschiede zwischen Männern und Frauen im Hinblick auf ihr Immunsystem, wobei diese Unterschiede noch weiter untersucht werden müssen. Die Immunreaktion auf Infektionskrankheiten und damit die Reaktion auf Impfungen ist unterschiedlich. Häufig kommt es bei Frauen zu einer stärkeren Reaktion als bei Männern, jedoch ist der Grund für diesen Unterschied in der Forschung und im Gesundheitswesen noch nicht vollständig geklärt und ausgeschöpft. Forscher beginnen, biologische und geschlechtsbezogene Unterschiede im Hinblick auf Impfstoffe zu untersuchen. Einige spekulieren, dass evolutionäre Unterschiede in Hinsicht auf Traumabelastungen für die etwas unterschiedliche Immunreaktion verantwortlich sind. Die Forschung untersucht weiterhin das höhere Auftreten bestimmter Erkrankungen bei Frauen im Vergleich zu Männern sowie den Grund dafür, dass einige Krankheiten während der Schwangerschaft in Remission gehen.14
Beispielsweise haben Forscher, die Grippe und ihre Schutzimpfung untersuchen, herausgefunden, dass die Immunreaktion auf den Impfstoff vom männlichen Testosteron beeinflusst wird. Der exakte Mechanismus für den Unterschied nach biologischem Geschlecht ist zwar unklar, jedoch scheint das Testosteron eine wichtige Rolle zu spielen. Das weibliche Immunsystem reagiert tendenzmäßig stärker auf den Grippeimpfstoff als das männliche System. Außerdem haben Männer mit den höchsten Testosteronwerten offenbar die schwächste Antikörperreaktion auf den Impfstoff15 In der Zukunft kann es sinnvoll sein, geschlechtsbasierte Unterschiede bei der Reaktion des Immunsystems zu betrachten. Die Dosierungen variieren bei Frauen und Männern möglicherweise ebenfalls, was zu Einsparungen beim Impfstoff in Zeiten von Krankheitsausbrüchen und Impfstoffmangel führen könnte.
Unterschiede bei den Geschlechtern und Zugang zur Impfung
Zusätzlich zu den biologischen Unterschieden bei der Reaktion auf Impfstoffe beeinflussen das Geschlecht sowie die geschlechtsbasierenden sozialen und kulturellen Normen den Zugang zur Impfung. Frauen tragen aufgrund ihrer Rolle bei der Fortpflanzung und Pflege häufig die Verantwortung für die Gesundheit ihrer Kinder, älterer Familienmitglieder und Personen mit Behinderungen. Jedoch verfügen Frauen in vielen Ländern der Welt, insbesondere in männerdominierten Gesellschaften, über ein unzureichendes Maß an Mitwirkungsmöglichkeiten, finanziellen Ressourcen, Autonomie und Unabhängigkeit, die sie für den Zugang zu Schutzimpfungsprogrammen für sich selbst und ihre Kinder benötigen16
Die Globale Allianz für Impfstoffe und Immunisierung (GAVI), die sich primär auf Schutzimpfungen in armen Ländern und Entwicklungsländern konzentriert, verfolgt die Geschlechtergerechtigkeit als übergreifendes Prinzip bei ihrer Arbeit. Der gleiche Zugang ist ausschlaggebend für die Erweiterung der Impfquote und der größeren Gerechtigkeit bei Schutzimpfungen. GAVI arbeitet zusammen mit Ländern, um die Geschlechterungleichheiten zu überwinden. Um sich für die GAVI-Förderung zu qualifizieren, werden die Länder aufgefordert, Daten nach Geschlecht, Einkommen und geografischem Standort aufzuschlüsseln, um die Gründe für die niedrigen Impfquoten besser zu erkennen. Insbesondere argumentiert GAVI, dass die Stärkung der Stellung von Frauen ausschlaggebend dafür ist, dass Kinder durch Impfen geschützt werden.
Geschlechtsunterschiede bei den Impfquoten sind besonders deutlich in Entwicklungsländern, wo Frauen einen niedrigeren sozioökonomischen Status haben. Als Ergebnis ist es in diesen Ländern weniger wahrscheinlich, dass Kinder geimpft werden, als in Ländern, wo Frauen eine stärkere Position haben. Die Impfquoten können und sollten verbessert werden, indem die Hindernisse reduziert werden, die Frauen beim Zugang zu Gesundheitsdiensten und Impfungen für ihre Kinder haben.17
Die Rolle von Frauen beim Impfen
Traditionell spielen Frauen eine wichtige Rolle beim Impfen von Kindern. Es sind primär die Mütter, die ihre Kinder zum Impfen bringen und sicherstellen, dass der Impfplan eingehalten wird. Mit der Einführung der HPV-Impfstoffe zur Vorbeugung vieler Formen an Gebärmutterhalskrebs stehen viele Mütter und ihre Töchter vor dem Thema der Impfung nach der Kindheit im Teenageralter. Frauen sind die Hauptbetreuungspersonen von Kindern und alternden Eltern; daher erkennen sie wahrscheinlich eher die Bedeutung der Vorbeugung von Krankheiten. Da europäische Frauen Männer durchschnittlich um sechs Jahre überleben, sind Frauen eine offensichtliche Gruppe, bei der Fachkräften im öffentlichen Gesundheitswesen ansetzen können, um in einen aussagekräftigen Dialog über das Impfen im Lebensverlauf zu treten. Frauen gehören häufig zur Zielgruppe der Impfgegner mit negativen Informationen zur Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen trotz robuster Belege über den Nutzen von Schutzimpfungen. Außerdem kommunizieren Gesundheitsbehörden Informationen über das Impfen hauptsächlich in Krisenzeiten und verpassen wichtige Gelegenheiten, um Vertrauen und Verständnis zum Impfen bei der allgemeinen Öffentlichkeit aufzubauen. Folglich hat der Mangel an effektiver, konsistenter, evidenzbasierter Botschaften im öffentlichen Gesundheitswesen über die Vorzüge von Schutzimpfungen es ermöglicht, dass Fehlinformationen und Warnungen auf fruchtbaren Boden gefallen sind.
HPV-Impfung—Vorbeugung von Gebärmutterhalskrebs
Drei verschiedene Impfstoffe wurden zum Schutz gegen zwei der häufigsten Stämme des menschlichen Papillomavirus (HPV) entwickelt, der Hochrisiko- Gebärmutterhalskrebs verursacht und für 73% der Gebärmutterhalskrebsfälle in Europa (HPV-16 und HPV-18) verantwortlich ist. Einige Impfungen umfassen den Schutz gegen krebserzeugende HPV-Typen 16, 18, 31, 33, 45, 52 und 58 sowie die Vorbeugung von Genitalwarzen, die von den HPV-Typen 6 und 11 verursacht werden. Die Impfstoffe bieten einen geringeren Schutzgrad gegen andere HPV-Stämme. HPV-Impfstoffe zielen auf heranwachsende Mädchen vor dem Beginn der sexuellen Aktivität ab18,19
Gebärmutterhalskrebs ist der zweithäufigste Krebstyp bei Frauen in Europa. 2008 gab das ECDC einen Leitfaden für die Einführung von HPV-Impfstoffen in Europa heraus. In seinem Bericht von September 2012 fasste das ECDC die Erfahrungen zusammen, die von den HPV-Impfprogrammen der letzten vier Jahre herrührten, einschließlich Nachweise, die in Forschungsstudien erbracht wurden.20,21 Das ECDC empfiehlt, dass routinemäßige HPV-Impfungen auf Mädchen im Alter von 10 bis 14 Jahren vor Einsetzen der sexuellen Aktivität abzielen sollten und in drei Dosierungen innerhalb von sechs Monaten zu verabreichen sind. Das Impfen junger Mädchen erfordert die Unterstützung der Eltern.
Bis dato haben alle drei EU-Mitgliedstaaten Impfungen im Hinblick auf eine Infektion mit dem menschlichen Papillomavirus bei heranwachsenden Mädchen empfohlen.22 Viele Länder haben die HPV-Impfung in ihre nationalen Impfprogramme integriert. Jedoch ist die Quote manchmal gering und reicht von
weniger als 20% bis über 80%, wobei nur Portugal und das Vereinigte Königreich eine Quote von über 80% bei den Zielgruppen abdecken.23
Die Bezahlbarkeit des HPV-Impfstoffs ist eine Haupthürde für die Umsetzung in ganz Europa. Das ECDC betont, dass nationale Vorsorgeuntersuchungen beibehalten werden müssen, da die HPV-Impfung diese Notwendigkeit nicht aufhebt, auch nicht bei geimpften Frauen. Jedoch sind die vorhandenen Richtlinien für Vorsorgeuntersuchungen für geimpfte Frauen anzupassen. Randomisierte Studien und Beobachtungen demonstrieren die Sicherheit und Wirksamkeit des HPV-Impfstoffes gegen Vorläuferzellen von Gebärmutterhalskrebs. Das ECDC untersuchte auch das Impfen von Jungs und zog die Schlussfolgerung, dass „das Impfen von Jungs und Männern sinnvoll ist.”24 Jedoch ist das „Impfen von Mädchen nachgewiesenermaßen kostengünstiger als das Impfen von Jungs”, daher sollten die Initiativen des öffentlichen Gesundheitswesens sich weiterhin auf das Impfen von Mädchen konzentrieren.25 In der Zukunft sollte die Politik bezüglich der HPV-Impfung überprüft werden, da sich die Evidenzbasis vergrößert. In der EU wird nur in Österreich die HPV-Impfung für Jungs empfohlen, wobei die Kosten individuell zu tragen sind26
Impfstoffe während den Jahren der Fortpflanzung
Einige Infektionskrankheiten können schwangere Frauen und ihre Kinder schwer schädigen. Während der Schwangerschaft verändert sich das Immunsystem der Frau, so dass bei Frauen ein erhöhtes Risiko besteht, dass sie bestimmte Infektionskrankheiten bekommen. Außerdem ist der Fötus besonders anfällig für bestimmte Infektioonen, die durch eine Schutzimpfung verhindert werden können.27 Da schwangere Frauen eine anfällige Personengruppe sind, sollten sie mit dem Impfplan auf dem Laufenden sein, idealerweise vor Eintreten einer Schwangerschaft, um die Gesundheit von Mutter und Kind zu schützen.
Impfstoffe schützen schwangere Frauen dagegen, dass sie bestimmte Infektionskrankheiten bekommen. Wenn eine Mutter gegen Infektionen wie Masern, Mumps und Röteln geimpft wurde, dann werden ihre Antikörper über die Plazenta an ihr Kind weitergegeben; dies wird „passive Immunität”28 genannt. Antikörper werden in den Fötus übertragen, primär im dritten Schwangerschaftsdrittel. Antikörper von der Mutter verbleiben für drei oder vier Wochen in Neugeborenen und nehmen dann über die nächsten sechs bis zwölf Monate ab. Da die Antikörper im Lauf der Zeit abnehmen, sollten Neugeborene geimpft werden, damit sie ihre eigenen Antikörper entwickeln, um die Krankheit zu bekämpfen.29
Die NHS-Choices-Webseite empfiehlt, dass alle schwangeren Frauen den Grippeimpfstoff unabhängig vom Schwangerschaftsstadium erhalten.30 Historisch sind die Studien zu Schutzimpfungen bei schwangeren und stillenden Frauen nach wie vor begrenzt. Inaktivierte Impfstoffe können während der Schwangerschaft verabreicht werden, da Studien gezeigt haben, dass die Impfung mit Tetanus-Toxoid und die Verwendung des inaktivierten Polio-Impfstoffs wirksam und sicher sind. Jedoch werden aktive Impfstoffe im Allgemeinen nicht für schwangere Frauen empfohlen, da die Sorge besteht, dass dies den Fötus beeinträchtigen könnte. Außerdem wird Frauen empfohlen, dass sie weniger als achtundzwanzig Tage, bevor sie schwanger werden, keine aktiven Impfstoffe erhalten sollen.31,32
Viele europäischen Webseiten des öffentlichen Gesundheitswesens sind überraschend schweigsam über das Impfen in den fertilen Jahren bei Frauen. Beispielsweise werden im Fall der Grippeimpfung dringend europäische Daten benötigt, da die meisten Empfehlungen auf nichteuropäischen Daten basieren. Die Webseite der kanadischen Gesundheitsbehörde erläutert, dass eine Schwangerschaft eine Möglichkeit bietet, den Schutzimpfungsstatus einer Frau zu überprüfen.33 Das ECDC bietet auf seiner Webseite eine europäische Impfplansuchfunktion; jedoch ist hier offenbar keine Suche nach dem Schwangerschaftsstatus möglich.34 Im Gegensatz dazu liefern das New York State Department, die Centers for Disease Control and Prevention in den USA und Health Canada Informationen zu Impfungen vor und während der Schwangerschaft sowie während der Stillzeit. Routinemäßige inaktive Impfstoffe scheinen bei der Verabreichung während der Stillzeit sicher zu sein. Der Zeitraum nach der Entbindung und vor der Entlassung aus dem Krankenhaus bietet eine Gelegenheit, Frauen zu ihrem eigenen Schutz und zum Schutz ihrer Kinder zu impfen. 35,36 Wenn die Mutter stillt, dann werden aktive Impfstoffe nicht empfohlen, da sie über die Milch an das Kind weitergegeben werden können. 37,38
Die Herausforderung des Alterungsprozesses — Impfen im Lebensverlauf
Im Allgemeinen konzentrieren sich Impfprogramme in Europa auf die Kindheitsjahre. Eine alternde Bevölkerung bringt eine wachsende Belastung durch chronische Krankheiten mit sich. Bis 2025 werden nahezu 50% der Europäer über 50 sein. Infektionen werden eine Hauptursache für Krankheiten und Arbeitsunfähigkeit in dieser Altersgruppe sein, besonders wenn bereits chronische Erkrankungen vorhanden sind. Die Lungenentzündung ist eine erhebliche Todesursache bei älteren Menschen; zusammen mit Grippe ist sie die Ursache für 8% der Todesfälle bei älteren Menschen verantwortlich. Infektionskrankheiten sind die vierte führende Todesursache nach Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfällen. Todesfälle durch Infektionskrankheiten erreichen ihre Spitze bei Grippewellen.
Impfungen bieten einen kosteneffektiven Schutz gegen mehrere Krankheiten im Lebensverlauf, jedoch ist sie nach wie vor eine zu wenig eingesetzte Strategie in der öffentlichen Gesundheit zur Förderung eines gesunden Alterungsprozesses. Schutzimpfungsprogramme über die Lebensdauer reduzieren das Auftreten vermeidbarer Infektionskrankheiten und erleichtern die Belastung durch chronische Krankheiten. Verschiedene geriatrische Gesellschaften empfehlen daher die Schutzimpfung von älteren Erwachsenen als Teil eines aktiven und gesunden Alterungsprozesses39
Um das Bewusstsein für die gesundheitlichen und sozioökonomischen Vorteile eines Lebensdaueransatzes für Schutzimpfungen zu fördern, gaben eine informelle Gruppe von Fachkräften im Gesundheitswesen, Akademikern, Industriepartnern, Denkfabriken zum Alter, Geriatern, Patienten und Gesundheitsverfechter einen Bericht in Auftrag, der ihre Argumentierung für Impfungen über die ganze Lebensdauer unterstützen soll. Der Bericht mit dem Titel Adult vaccination: a key component of healthy ageing—Benefits of life-course immunisation in Europe (Impfungen bei Erwachsenen: eine Hauptkomponente des gesunden Alterungsprozesses – Vorteile von Schutzimpfungen im Lebensverlauf in Europa) liefert einen Überblick über den Stand der Schutzimpfungen von Erwachsenen in den EU-Mitgliedstaaten und betont den Wert der Umsetzung robuster Richtlinien und Programme40 Nach einer Überprüfung der Strategie zum gesunden Alterungsprozess in verschiedenen EU-Ländern und einer Untersuchung der Erkrankungsraten bei den wichtigsten durch Impfungen vermeidbaren Krankheiten in Europa zeigt der Bericht Lücken bei den Richtlinien zu Schutzimpfungen bei Erwachsenen und einen allgemeinen Mangel bei der öffentlichen Aufklärung zu den gesundheitlichen und wirtschaftlichen Vorteilen des Impfens bei Erwachsenen auf. Zudem identifiziert der Bericht der Gruppe die wichtigen Elemente für die erfolgreiche Umsetzung von Impfungen bei Erwachsenen und liefert praktische Empfehlungen für die Verbesserung der Schutzimpfungsraten bei älteren Erwachsenen.41
Die Fähigkeit des Körpers, effektiv auf Impfstoffe zu reagieren, nimmt mit dem Alter ab, was die Vorzüge von Impfungen bei gebrechlichen älteren Menschen beeinträchtigen kann, insbesondere bei Menschen über achtzig. Die British Geriatrics Society (Britische Gesellschaft für Geriatrie) empfiehlt die Entwicklung effektiverer Impfstoffe und besserer Verabreichungsformen für ältere Menschen (beispielsweise Hilfsstoffe und intrakutane Injektionen) und rät dazu, dass mehr medizinische Fachkräfte und Pflegekräfte, die in Kontakt mit anfälligen älteren Menschen kommen, gegen Grippe geimpft werden. 42
Ungleichheiten und Unterschiede bei Impfstoffen
Die allgemeinen Impfquoten variieren in Europa und innerhalb der einzelnen Länder. Es gab einige bemerkenswerte Erfolge im Hinblick auf Schutzimpfungsprogramme. Wenn man die Impfungen bei Kindern in der europäischen Region betrachtet, dann liegt die durchschnittliche Impfquote bei 94% für Masern; 90% für Polio und über 90% für Diphterie, Pertussis (Keuchhusten) und Tetanus (DPT).
Jedoch sind in Europa erhebliche Ungleichheiten vorhanden. Studien zeigen, dass niedrigere sozioökonomische Gruppen einen reduzierten Zugang zu Gesundheitsleistungen haben und eine geringere Impquote aufweisen als höhere sozioökonomische Gruppen. Die Quote unterscheidet auch zwischen ländlichen und städtischen Umgebungen. Die Impfquote ist niedriger bei Minderheitengruppen wie Roma und Arbeitsmigranten als bei der allgemeinen Bevölkerung. Es besteht eine Lücke zwischen Ost- und Westeuropa aufgrund der Kosten für das Impfen Impfung und der Finanzierbarkeit durch die Gesundheitssysteme. Es ist unbedingt darauf hinzuweisen, dass die Gründe dafür, weltweit ungeimpft zu sein, erheblich von den Gründen dafür, in Europa nicht ausreichend geimpft zu sein, abweichen. Viele Menschen in Europa halten den Zugang zu Impfungen für selbstverständlich. In vielen Entwicklungsländern ist der Zugang zu Routineimpfungen aufgrund riesiger Hindernisse, u.a. hoher Kosten und einer unzureichenden Infrastruktur, nach wie vor eine wichtige Herausforderung für das öffentliche Gesundheitswesen. Es kommt häufig zu großen Verzögerungen zwischen der Einführung von Impfstoffen in Entwicklungsländern und in den zu entwickelnden Teilen der Welt. Die WHO betrachtet Schutzimpfungen als grundlegendes Recht und eine strategische Komponente für die Reduzierung der Armut mit dem Argument, dass „Schutzimpfungen nicht nur eine effektive Intervention zur Reduzierung von Krankheiten und Todesfällen sind, sondern auch Ungleichheiten bei der Bereitstellung einer primären Gesundheitsversorgung strategisch reduzieren”.43
Es müssen Anstrengungen unternommen werden, um Ungleichheiten beim Zugang zu Schutzimpfungen zu reduzieren und sie sowohl in Europa als auch weltweit einzusetzen
Jahreszeitliche Grippeimpfung in älteren Bevölkerungsgruppen44
Schritte für Maßnahmen
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- 1) Die Kommission muss zusammen mit den EU-Mitgliedstaaten eine koordinierte und umfassende Impfstrategie über die Lebensdauer anwenden, um Infektionskrankheiten bei allen Bürgern, von Kindern bis zu alten Menschen, einschließlich anfälligen Menschen wie schwangeren Frauen, zu bekämpfen.
Infektionskrankheiten überschreiten problemlos Grenzen. Mit dem Vorbeugungsfokus der europäischen Gesundheitspolitik, der Übernahme der Richtlinie über die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung und kürzlich der gemeinsamen Beschaffungsinitiative haben die Kommission und die EU-Mitgliedstaaten eine solide Basis zur Stärkung der Zusammenarbeit und Koordination für eine gemeinsame Impfstrategie, die die gesamte Bevölkerung Europas gegen Infektionskrankheiten schützt. - 2) Die Kommission sollte zusammen mit den Mitgliedstaaten robuste proaktive Kommunikationsprogramme entwickeln, um die Öffentlichkeit gesundheits- und impfungskompetent zu machen, damit sie die Vorteile von Impfungen zum Schutz von Einzelpersonen und der Gesellschaft gegen Infektionskrankheiten versteht.
Derzeit besteht ein Mangel an positiven Informationen über die Vorteile des Impfens, die an die allgemeine Öffentlichkeit gerichtet sind. Wenn eine Krankheit einmal ausgebrochen ist, dann verbreiten sich schnell Horrorgeschichten und Gerüchte. Deshalb müssen öffentliche Behörden in eine konsistente, proaktive Kommunikation vor dem Ausbruch investieren – robuste Programme, die evidenzbasierte Informationen zu Krankheiten, die durch Impfen vermeidbar sind, sowie zu Schutzimpfungsprogrammen liefern. Die wichtigen Interessenvertreter wie Regierungsbeamte, Aufsichtsbehörden, akademische Institutionen, Nichtregierungsorganisationen, Fachpublikum und Gesundheitsdienstleister müssen sich mit der Entwicklung effektiver, effizienter und gerechter Kommunikationsprogramme befassen. - 3) Programme und Richtlinien, die auf die Schutzimpfung von älteren Menschen als Teil eines gesunden Alterungsprozesses abzielen, müssen entwickelt werden.
Infektionskrankheiten sind die vierte führende Todesursache bei älteren Menschen. In Europa machen Frauen den Großteil älterer Menschen und insbesondere der Personengruppe von achtzig und älter aus – Personen, die häufig gebrechlich und pflegebedürftig sind. Die Vorbeugung von Infektionskrankheiten durch Schutzimpfungen kann zur Reduzierung der Gebrechlichkeit und Krankheitsbelastung beitragen, denen ältere Menschen in ganz Europa ausgesetzt sind. - 4) Evidenzbasierte Initiativen zur positiven Befürwortung von Impfungen fördern die Schutzimpfungen und machen sie zur Norm für die Gesellschaft.
Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten mit der Zivilgesellschaft, Regierungsvertretern, Gesundheitsbehörden, medizinischen Fachkräften, Nichtregierungsorganisationen, Patientenorganisationen, der Industrie und anderen wichtigen Interessenvertretern zusammenarbeiten, um gemeinsam eine robuste und angemessene Impfstrategie basierend auf bewährten Methoden zu entwickeln. Eine Unterstützung der Befürwortung von Impfungen im öffentlichen Gesundheitswesen ist dringend notwendig, da eine Gesundheitsförderung im Zusammenhang mit übertragbaren Krankheiten fast gar nicht existiert. - 5) Forschungsarbeit, die geschlechts- und altersbezogene Unterschiede bei Schutzimpfungen untersucht, und Empfehlungen basierend auf robusten europäischen Daten liefert, muss unterstützt und finanziell gefördert werden.
Es bestehen Unterschiede zwischen Männern und Frauen im Hinblick auf ihr Immunsystem und ihre Reaktion auf Infektionskrankheiten. Die Mechanismen, die dem Unterschied bei der Immunreaktion zugrunde liegen, sollten weiter untersucht werden, und es sollten gezieltere Impfstoffe entwickelt werden. Geschlechtsbezogene soziokulturelle Unterschiede sind wichtige Überlegungen bei der Umsetzung effektiver Impfprogramme, die unterschiedliche Bevölkerungsgruppen erreichen und ansprechen. - 6) Forschungsarbeiten zur Untersuchung der Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen während der Schwangerschaft und in der Stillzeit müssen unterstützt werden.
Derzeit basieren die meisten Empfehlungen zu Impfungen während der Schwangerschaft und in der Stillzeit auf theoretischen Prognosen, die von Ärzten gestellt werden. Forschungsarbeit sollte gefördert werden, damit die Beziehung zwischen weiblicher Fortpflanzung und Schutzimpfung besser geklärt wird, um die Gesundheit von Mutter und Kind zum Schutz der zukünftigen Generation zu verbessern. - 7) Die HPV-Impfung sollte in alle Vorbeugungsprogramme für Gebärmutterkanalkrebs aufgenommen werden.
Die Richtlinien zur Vorbeugung von Gebärmutterhalskrebs müssen zur Anpassung an die HPV-Impfung und deren Integration revidiert werden. Dies kann potentiell zu Kosteneinsparungen bei Vorsorgeprogrammen und einem anderen Vorsorgeplan für bereits geimpfte Frauen führen. Frauengruppen und Nichtregierungsorganisationen im Gesundheitsbereich sollten in den Prozess einbezogen werden, um die Kommunikation zu verbessern und die Aufnahme von Impfungen und kosteneffektiven Vorsorgeprogrammen zu verbessern. - 8) Die Rolle des ECDC bei der Erfassung und Nutzung konsistenter und vergleichbarer epidemioloischer Daten, die nach Alter und Geschlecht aufgeschlüsselt werden und die Überwachung verbessern, müssen präsenter sein.
- 1) Die Kommission muss zusammen mit den EU-Mitgliedstaaten eine koordinierte und umfassende Impfstrategie über die Lebensdauer anwenden, um Infektionskrankheiten bei allen Bürgern, von Kindern bis zu alten Menschen, einschließlich anfälligen Menschen wie schwangeren Frauen, zu bekämpfen.
Hildrun Sundseth, EIWH-Präsidentin
Peggy Maguire, EIWH, Generaldirektorin
Kristin Semancik, EIWH-Beauftragte für Forschung und Politik
Herzlichen Dank an unsere sachverständige Überprüferin:
Daphne Holt, Ph.D., Vizepräsidentin, Confederation of Meningitis Organisations
Ein besonderer Dank gilt Pfizer Inc. für den unbegrenzten Bildungszuschuss zur Förderung der Aktualisierung und Übersetzung der 2. Ausgabe von „Women and Vaccination“ (Frauen und Impfungen) im EU-Kurzdossier.
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